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Verdener-Aller-Zeitung am 03.08.2005

Wahlkampf ohne Versprechen

CDU-Auftakt mit unpopulären Aussagen: Reinhard Grindel diskutierte auch die Mehrwertsteuer

Thedinghausen/Ottersberg (rei). Als CDU-Abgeordneter Reinhard Grindel (MdB) gestern zum Unternehmerfrühstück ins Café Seekamp nach Ottersberg kam, erwartete niemand etwas anderes als eine Wahlkampfveranstaltung. Und so kam es dann auch - aber etwas war dann doch ganz anders als erwartet und gewohnt. Der CDU-Mann lockte weder mit Versprechen, noch traf er populäre Aussagen - das ist die überraschende neue Linie seiner Partei.

"Dieser Tage ist es nicht schwer, an die Regierung zu kommen", sagte Reinhard Grindel. "Aber wenn wir wieder an der Regierung sind, will ich noch in den Spiegel schauen können." Diese Aussage kam bei den Parteigenossen und Unternehmern in Ottersberg ebenso gut an, wie bereits am Abend zuvor in Schröders Gasthaus in Thedinghausen.
Als Grindel während der Veranstaltung in Ottersberg auf die Frage angesprochen wurde, was er davon halte, dass sich seine Parteivorsitzende und Kanzlerkandidatin ziere, an zwei Fernsehduellen statt nur einem teilzunehmen, stärkte er Angela Merkel den Rücken: "Als ehemaliger Fernsehjournalist habe ich ihr genau dazu geraten. Wir wollen kein Show-Programm abliefern."
Die Auswirkungen der Bundespolitik für die Menschen in der Wesermarsch und das Regierungsprogramm der CDU waren aber natürlich die zentralen Themen bei den Auftaktveranstaltungen zum Bundestagswahlkampf. "Vorfahrt für Arbeit" lautet für Grindels Partei die entscheidende Botschaft. "Wir müssen nicht die Wettbewerbsfähigkeit deutscher Unternehmen stärken, sondern vielmehr die Wettbewerbsfähigkeit der Arbeit in Deutschland, denn Arbeitnehmer können nicht auf andere Standorte ausweichen", so Grindel. Wie Grindels Partei das machen wolle? Klar, das der Bundestagsabgeordnete ein Konzept parat hatte. Und so gab es denn auch viele Zahlen und Rechnungen, wo die Zuhörer vielleicht einen markigen Spruch erwartet hätten. "Seit 2002 sind 1,5 Mio Arbeitsplätze und damit Beitragszahler verloren gegangen", rechnete Grindel vor. "Immer weniger Beschäftigte müssen immer höhere Sozialabgaben finanzieren, dies verteuert den Faktor Arbeit noch Weiter und beschleunigt den Arbeitsplatzabbau". Mit gegenfinanzierten Reformen will die CDU diesen Teufelskreis durchbrechen: "Niedrige Lohnzusatzkosten verbilligen die Bruttolohnkosten und lassen gleichzeitig die Nettolöhne und die Kaufkraft der Arbeitnehmer steigen". Die klare Ansage, den Beitrag für die Arbeitslosenversicherung von 6,5 Prozent auf 4,5 Prozent zu senken und zur Gegenfinanzierung dafür die Mehrwertsteuer von 16 auf 18 Prozent zu erhöhen, ließ er einige Zuhörer in Ottersberg allerdings zusammenzucken.
Grindel beeilte sich, schnell den Vergleich mit Österreich heranzuziehen, wo Mehrwertsteuersätze um 20 Prozent üblich sind. "Das zeigt, dass besseres Wirtschaftswachstum und mehr Beschäftigung möglich sind, wenn die zusätzlichen Steuereinnahmen zur Senkung der Lohnnebenkosten verwendet werden". So gewinnen durchschnittlich verdienende Arbeitnehmer durch die Absenkung ihrer Beitrages zur Arbeitslosenversicherung etwa 1,5 Prozent zusätzliches Netto-Einkommen und hätten am Ende mehr Geld übrig... Ob diese Aussage jetzt doch irgendwie als Versprechen gilt, blieb unbeantwortet.

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