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Wümme-Zeitung am 01.09.2004

"Ohne Hartz IV sind kleine Leute die Verlierer"

CDU-Bundestagsabgeordneter bemängelt handwerkliche Fehler der rot-grünen Regierung

Von unserem Mitarbeiter Johannes Kessels

Tarmstedt. Die CDU kritisiere nicht die Hartz-IV-Reform der rot-grünen Bundesregierung, sondern ihre handwerklichen Fehler. Das erklärte der Rotenburger Bundestagsabgeordnete Reinhard Grindel auf einer Diskussion in Tarmstedt vor einem Dutzend Zuhörern. "Mit diesen Fehlern hätten wir im Vermittlungsausschuss nie gerechnet", sagte der Christdemokrat.
Dennoch solle man die Montagsdemonstrationen gegen die Reformen nicht überbewerten. "Wenn sich nichts ändert, werden gerade die Demonstranten gegen die Reform die Verlierer sein", so die Warnung des Abgeordneten. Die "kleinen Leute" seien an Deutschland gebunden. Wer ein höheres Bildungsniveau besitze, vielleicht noch Auslandserfahrung und Fremdsprachenkenntnisse besitze, könne leicht anderswo Geld verdienen: Jedes Jahr verließen 120 000 potentielle Existenzgründer das Land.
Grindel wartete noch mit anderen Zahlen auf: In Deutschland gebe es 26,5 Millionen sozialversicherungspflichtige Jobs, das sei für ein Land mit 80 Millionen Einwohnern recht wenig. Dafür gebe es aber 2,6 Millionen Arbeitsplätze deutscher Unternehmen im Ausland. Und Deutschland habe die meisten Langzeitarbeitslosen der EU. In anderen Ländern seien die Sozialausgaben niedriger - die kriselnde Weltwirtschaft und der hohe Ölpreis träfen schließlich auch andere europäische Länder, trotzdem sei die Lage dort entschieden besser.
Deshalb müsse durch Hartz IV Anreiz zu legaler Arbeit geschaffen werden. Heute verdiene ein Facharbeiter netto 1500 bis 1800 Euro im Monat. Das bekomme auch eine vierköpfige Familie, die von Sozialhilfe lebe. "Und unter 'Kombilohn' verstehen die manchmal die Kombination aus Sozialhilfe und Schwarzarbeit", sagte Grindel, der sich ansonsten mit polemischen Bemerkungen auffallend zurückhielt.
Die Bundesregierung habe nicht vermittelt, dass durch Hartz IV nicht nur gefordert, sondern auch gefördert werden solle, kritisierte Grindel. Die Menschen hätten nicht begriffen, dass gerade Langzeitarbeitslose intensiver vermittelt werden sollen. Aber auch die Arbeitslosen seien in der Pflicht: Sie müssten sich ernsthaft um zumutbare Arbeit bemühen oder sich wenigstens qualifizieren. Und wenn das alles nichts nütze, könnten sie immer noch einen Euro pro Stunde nebenher verdienen. Dann könne etwa ein arbeitsloser Gärtner einen Schulgarten anlegen, für den die Kommune sonst kein Geld hätte. Dies sei auch für den Gärtner von Vorteil, da er dann wieder ins normale Arbeitsleben finde.
Für die Langzeitarbeitslosen sollen nach den Vorstellungen der CDU die Behörden der Landkreise und Städte zuständig sein, nicht die Bundesagentur für Arbeit. Die Behörden hätten einen viel besseren Kontakt zu den Unternehmen in ihrer Region, außerdem würden Langzeitarbeitslose heute zumeist vom Sozialamt betreut. Dann sei es besser, wenn auch die Arbeitsvermittlung beim Landkreis liege.
Auch in anderen Bereichen weicht die CDU-Meinung bekanntlich von den Plänen der Regierung ab. Eine Bürgerversicherung bezeichnete Grindel als viel zu kompliziert. Stattdessen soll ein einheitlicher Krankenkassenbeitrag von 170 Euro eingeführt werden und wer wenig verdiene, solle einen Teil über Steuernachlässe erstattet bekommen. Der Kündigungsschutz solle zwar für bestehende Arbeitsverhältnisse bleiben, für neue aber nicht gelten. Dann könne ein Unternehmer Langzeitarbeitslose ohne großes Risiko einstellen. Dies führe nicht zu "hire and fire", vielmehr gelte heute: "no fire, no hire" - Unternehmer stellten gar nicht erst neue Leute ein, wenn sie sie nicht bei Bedarf "feuern" könnten. Dass es aber für Arbeitslose über 55 Jahren schwierig bleibt, eine neue Stelle zu finden, wie von einem Zuhörer angemerkt, mochte auch Grindel nicht bestreiten, obwohl es, wie er berichtete auch Gegenbeispiele gebe.

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