Bundestag / Reden
Rede
94. Sitzung vom 19.03.2015 Grindel, Reinhard (CDU/CSU)
Empfehlungen des NSU-Untersuchungsausschusses
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Vielen Dank. - Nächster Redner ist der Kollege Reinhard Grindel, CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Reinhard Grindel (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Frau Wawzyniak, das Thema "Konsequenzen aus der NSU-Mordserie" ist so ernst, dass man darüber auch ernsthaft diskutieren sollte. Dazu gehört für mich eine angemessene Sprache. Sie sollten einmal darüber nachdenken, ob die Art und Weise, wie Sie Ihre Punkte vorgetragen haben, angemessen war. Deswegen haben wir bei Ihrer Rede ein bisschen unruhig reagiert.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Es ist richtig: Wir wollen die Konzentration beim Generalbundesanwalt. Denn eine frühzeitige Zusammenführung von Ermittlungen, bezogen auf Straftaten mit fremdenfeindlichem oder gar rassistischem Hintergrund, kann dazu beitragen, dass Zusammenhänge zwischen Taten, vergleichbare Begehungsformen und deren Verknüpfung mit Rechtsextremismus oder Rechtsterrorismus schneller erkannt werden. Eines muss neben den vielen Lehren, die wir aus den Taten des NSU ziehen, klar sein: Der Wechsel in der Zuständigkeit zwischen Bundesländern darf nicht dazu führen, dass sich Täter einer angemessenen Strafverfolgung entziehen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Ich will ergänzen: Es muss auf der Ebene der Strafverfolgungsbehörden auch mehr Bereitschaft zur Kooperation geben. Das Motto "Meine Tat, meine Quelle, mein Fall" darf nicht die beherrschende Richtschnur von Ermittlungen sein. Insofern ist es gut, dass wir nun ein gemeinsames Terrorabwehrzentrum haben. Die Zusammenarbeit der Ermittler verschiedener Behörden der Länder trägt auch dazu bei, dass das Vertrauen wächst, dass mit Ermittlungsergebnissen oder Quellen verantwortlich umgegangen wird. Wir brauchen mehr Koordination, mehr Informationsaustausch, aber auch, wenn es geboten ist, mehr Konzentration bei der Strafverfolgung. Das ist eine der entscheidenden Lehren aus dem NSU-Komplex.
Herr Fechner hat schon zu Recht darauf hingewiesen: Damit der Generalbundesanwalt seine Zuständigkeit überhaupt ausüben kann, muss er von bestimmten Sachverhalten Kenntnis erlangen. In der öffentlichen Anhörung wurde bestätigt, dass der Generalbundesanwalt trotz bestehender Regelungen in der RiStBV zu selten von wichtigen Vorgängen überhaupt erfährt. Die Einführung einer gesetzlichen Regelung, die zur sorgfältigen Beobachtung der Vorlagepflicht führen soll, ist daher richtig und zwingend nötig. Diese Vorlagepflicht ist - das ist der entscheidende Punkt - so ausgestaltet, dass nicht die Staatsanwaltschaften in den Ländern beurteilen, ob es zureichende Anhaltspunkte für eine Vorlagepflicht gibt, sondern dass bereits bei einem Anlass zur Prüfung der übernahme durch den Generalbundesanwalt eine übersendung der Vorlagen erfolgt. Es geht also um objektive Gesichtspunkte, die dann zur Vorlagepflicht führen, und nicht um subjektive Erwägungen der Staatsanwaltschaften.
Trotz zahlreicher fachlicher Bedenken - Kollege Ullrich hat das zu Recht erwähnt - werden wir als CDU/CSU-Fraktion die Ergänzung der Strafzumessungsregeln nach § 46 Absatz 2 StGB mittragen, und zwar deshalb, weil ich glaube, dass der Kollege Volker Beck recht hat. Es ist nicht in jedem Fall so, dass rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende Ziele der Täter in angemessener Form berücksichtigt werden. Deswegen ist es richtig und vertretbar, dass wir als Gesetzgeber ein doppeltes Signal senden: an potenzielle Täter, denen wir sagen: "Eure Taten werden angemessener bestraft werden als in der Vergangenheit", und an die Justiz und die Strafverfolgungsbehörde, indem wir deutlich machen: Wir wollen, dass genauer und schneller hingesehen wird, und wir wollen tatangemessene Urteile. - Das ist der Zweck dieser Gesetzesänderung.
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Kollege Grindel, gestatten Sie eine Zwischenfrage des Kollegen Beck?
Reinhard Grindel (CDU/CSU):
Von Herrn Beck immer. - Es wäre aber schön, wenn Sie, Frau Präsidentin, meine Redezeit anhalten würden. So weit geht es nicht, dass ich Herrn Beck davon etwas schenke.
Vizepräsidentin Ulla Schmidt:
Nein, Sie brauchen da gar keine Furcht zu haben. Dass die Redezeit angehalten wird bei einer Zwischenfrage, das passiert immer. Aber der Herr Kollege Beck hat noch nicht begonnen.
Bitte schön, Herr Kollege Beck.
Volker Beck (Köln) (BüNDNIS 90/DIE GRüNEN):
Das gebietet die Fairness. Da sind wir uns sicher einig. - Herr Grindel, wenn es Ihnen um Genauigkeit und um Hinweise durch den Gesetzgeber geht, dann stellt sich doch die Frage, warum wir bei diesen drei Kriterien stehen bleiben und warum wir Gruppen, von denen wir wissen, dass sie regelmäßig Opfer von rechter, auch von islamistischer Gewalt werden, wie Homosexuelle, Behinderte oder Juden, anhand von Kriterien, die beschrieben werden müssten, in den Gesetzentwurf nicht mit aufnehmen. Da besteht doch die Gefahr, dass der Gesetzgeber von manchen bei Polizei und Justiz dahin gehend missverstanden werden könnte: Es gibt Gruppen, wo man besonders genau hinschauen muss, und es gibt Gruppen, wo man hinschauen kann oder es auch bleiben lassen kann.
Das ist übrigens eine Erfahrung, die in Opferberatungsstellen, die Gewaltopfer aus diesen Gruppen betreuen, häufig so gemacht wird. Mit diesem Vorschlag bewirken wir doch eine selektive Aufarbeitung des Themas Gewaltkriminalität.
Reinhard Grindel (CDU/CSU):
Herr Kollege Beck, ich bin Ihnen für die Frage dankbar, weil auch Reden im Parlament von den Strafrichtern zur Auslegung des Gesetzes mit heranzuziehen sind. Wenn Sie sich die Neuformulierung von § 46 Absatz 2 Strafgesetzbuch vornehmen, dann stellen Sie fest, dass es dort "besonders auch rassistische, fremdenfeindliche oder sonstige menschenverachtende" Ziele des Täters heißt. Für mich ist es gar keine Frage, dass eine Straftat aus homophoben Gründen - natürlich auch dann, wenn sie religiös motiviert ist; ich komme noch an anderer Stelle dazu -, unter genau diese Formulierung fällt. Wer Schwule angreift, wer Juden angreift, der handelt menschenverachtend. Das ist doch wohl völlig eindeutig, und das deckt dieser Paragraf für mich ab.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD - Volker Beck [Köln] [BüNDNIS 90/DIE GRüNEN]: Hoffentlich sehen das alle so!)
Frau Wawzyniak, Sie haben zu Recht erwähnt: Hierbei handelt es sich um keine Empfehlung des NSU-Untersuchungsausschusses; vielmehr hat man diese Regelung bei der Gelegenheit der Beratung dieses Gesetzentwurfs mit aufgenommen, weil es hier um Straftaten geht, die sich eben nicht nur gegen schutzwürdige Opfer richten, sondern die sich in Wahrheit gegen unseren Rechtsstaat, unsere Werteordnung richten. Dann ist es aber zulässig, deutlich zu machen: Natürlich greift der Rechtsterrorismus unseren Rechtsstaat an, aber eben nicht nur er, sondern auch der Linksextremismus, der terroristische Islamismus. Deshalb ist es völlig in Ordnung - wie es Herr Kollege Ullrich gesagt hat -, dass auch diese Punkte Gegenstand des neuen § 46 Absatz 2 Strafgesetzbuch werden; denn es geht hier um Straftaten gegen den Rechtsstaat als solchen, die wir tatangemessen bestraft sehen wollen.
(Beifall bei der CDU/CSU - Halina Wawzyniak [DIE LINKE]: Nicht in der Debatte hier! In der Sache haben wir keinen Dissens, aber nicht in der Debatte!)
Liebe Kolleginnen und Kollegen, lassen Sie mich aus der Sicht der Union noch eine Anmerkung dazu machen: Der Rechtsstaat darf nicht erst dann reagieren, wenn es konkrete menschenverachtende Taten gibt, sondern der Rechtsstaat muss bereits da einschreiten, wo der geistige Nährboden von Terrorismus bereitet wird. Es muss dort ein Einschreiten geben, wo ein Klima des Hasses und der Intoleranz gegen Andersdenkende oder Andersgläubige Einzug hält. Deshalb ist es aus meiner Sicht nicht einzusehen, weshalb wir heute nicht auch die Sympathiewerbung für terroristische Vereinigungen unter Strafe stellen. Gerade angesichts wachsender Radikalisierungstendenzen, zum Beispiel im Internet, muss der Staat doch konsequent auch hier gegen die Verbreitung von Hass und Rassismus, von terroristischem Gedankengut vorgehen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD])
Vielleicht, liebe Kolleginnen und Kollegen, gelingt es uns zu einem späteren Zeitpunkt in dieser Legislaturperiode.
Herzlichen Dank fürs Zuhören.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie des Abg. Dr. Karl-Heinz Brunner [SPD] - Dr. Johannes Fechner [SPD]: Sicher nicht!)
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