Einbindung 1. Bild Einbindung 2. Bild Einbindung 3. Bild Einbindung 4. Bild Einbindung 5. Bild Einbindung 6. Bild
  • Schrift vergrößern
  • Schrift vergrößern
  • Standard wiederherstellen
  • Schrift verkleinern
  • Schrift verkleinern
 
Sie sind hier: Bundestag / Reden

Bundestag / Reden

Rede

107. Sitzung vom 22.05.2015

Erste Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung von Doping im Sport

Vizepräsidentin Claudia Roth::
Der nächste Redner in der Debatte ist Reinhard Grindel für die CDU/CSU-Fraktion.
(Beifall bei der CDU/CSU)

Reinhard Grindel (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei dem Gesetzentwurf geht es im Kern vor allem um eine Frage: Reicht es beim Kampf gegen Doping aus, allein auf die Sportgerichtsbarkeit zu setzen, oder brauchen wir, gerade wenn es um den dopenden Sportler geht, dazu auch die Mittel des Strafrechts?
Wir müssen es schon ernst nehmen, dass der DOSB unsere Gesetzesinitiative ablehnt und damit sagt: Wir brauchen das Strafrecht nicht. Lasst uns das Dopingproblem mit unseren Mitteln lösen, den Mitteln des Sportrechts. Ist also im Großen und Ganzen alles in Ordnung?
(Dagmar Freitag [SPD]: Sie schaffen es ja nicht!)
In diesem Zusammenhang wird meines Erachtens eine Studie der Deutschen Sporthochschule und der Sporthilfe in der Öffentlichkeit viel zu wenig beachtet. Im Rahmen dieser Studie ist in einem streng anonymisierten Verfahren Spitzensportlern die entscheidende Frage gestellt worden: Greifen Sie regelmäßig zu Dopingmitteln? - Mit Nein antworteten 53,4 Prozent, mit Ja 5,9 Prozent, keine Antwort gaben 40,7 Prozent. Angesichts solcher Zahlen kann man wohl eher nicht davon reden, dass alles in Ordnung ist. Ein so großes Dunkelfeld darf sich der deutsche Sport nicht leisten. Deshalb müssen wir, auch mit den Mitteln des Strafrechts, den Kampf gegen das Selbstdoping von Sportlern mit aller Entschiedenheit führen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Die zweite, vor allem von Strafrechtsprofessoren vorgetragene Kritik lautet: Ihr schafft mit der Integrität des sportlichen Wettbewerbs ein völlig neues Rechtsgut, das im Strafrecht nichts verloren hat. - Was völlig übersehen wird, auch von Ihnen, Frau Künast, in Ihrem heutigen Aufsatz: Wir kennen seit langem den Schutz des wirtschaftlich fairen Wettbewerbs, wie ihn §299 des Strafgesetzbuches regelt. Wir diskutieren über einen neuen § 299 a - Bekämpfung der Korruption im Gesundheitswesen -, mit dem wir das Vertrauen der Patienten in die Integrität heilberuflicher Entscheidungen auch mit den Mitteln des Strafrechts schützen wollen. Ist es da so abwegig, auch die Integrität des sportlichen Wettbewerbs und das Vertrauen der Menschen darauf zu schützen?
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist etwas anderes!)
An dieser Stelle kommt es auf die gesellschaftliche Bedeutung des Sports an. Wo sind denn die Integrationskräfte in unserer Gesellschaft, die für Zusammenhalt und ein Stück Heimat sorgen? Kirchen, Gewerkschaften und Parteien verlieren Mitglieder. Bei den Sportvereinen ist die Zahl trotz einer negativen demografischen Entwicklung stabil, im Fußball steigt sie sogar. Wo versammeln sich noch ältere und jüngere Menschen, Frauen und Männer, Ärmere und Besserverdienende, Menschen mit und ohne Migrationshintergrund? Es ist beim Sport.
Glauben wir tatsächlich, dass sich unsere Gesellschaft positiv entwickelt, wenn wir nur noch auf digitale soziale Netzwerke setzen? Sind es in Wahrheit nicht unsere Vereine, vor allem die Sportvereine, bei denen wirklich soziale Kompetenzen vermittelt werden? Warum setzen sich denn die höchsten Repräsentanten unseres Landes dafür ein, dass Olympische Spiele oder eine Fußballeuropameisterschaft in Deutschland stattfinden? Weil von einem solchen Leuchtturmprojekt eine große Strahlkraft, eine große Anziehungskraft ausgeht, die gerade Kinder und Jugendliche motivieren wird, Sport in Vereinen zu betreiben.
(Matthias Schmidt [Berlin] [SPD]: Sehr richtig!)
Aber all das wird scheitern, wenn die Menschen, gerade die jungen Menschen, den Glauben an Fairness im Sport, den Glauben an die Zufälligkeit des Ergebnisses, an die Lauterkeit unserer Spitzensportler verlieren. Wer als dopender Sportler an den Fundamenten des Sports rüttelt, wer das mit Füßen tritt, woran vor allem junge Menschen glauben, der muss eben nicht nur aus dem sportlichen Wettbewerb ausgeschlossen werden, sondern der und seine möglichen Hintermänner müssen auch die volle Härte des Rechtsstaats spüren, weil wir nur so die Integrität und die Integrationskraft des Sports bewahren können. Das ist das Kernanliegen unseres Gesetzentwurfs.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Die Integrität des sportlichen Wettbewerbs wird nicht nur von Doping, sondern auch von Spielmanipulation bedroht. CDU/CSU und SPD haben deshalb in ihrem Koalitionsvertrag verankert:
Doping und Spielmanipulationen zerstören die ethisch-moralischen Werte des Sports … Deshalb werden wir weitergehende strafrechtliche Regelungen beim Kampf gegen Doping und Spielmanipulation schaffen.
Ich bin Ihnen, Herr Minister de Maizière, dankbar, dass Sie angekündigt haben, dass wir hier Initiativen erwarten dürfen. Lieber Herr Kollege Maas, es wäre auch nicht verkehrt gewesen, wenn Sie sich dem hier am Rednerpult angeschlossen hätten.
(Dagmar Freitag [SPD]: Das war heute nicht das Thema, Herr Kollege!)
Ich gehe davon aus, dass Sie das tun werden. Um es ganz klar zu sagen: Wir möchten, dass der Koalitionsvertrag eins zu eins umgesetzt wird, ein Anliegen, das Sie, Herr Maas, auch bei anderer Gelegenheit immer wieder einfordern.
Ich sage noch einmal: Wer die Integrität des sportlichen Wettbewerbs schützen will, muss das auch tun, wenn es um Spielmanipulation geht. Auch die bedroht unseren Sport.
(Beifall bei der CDU/CSU - Dagmar Freitag [SPD]: Das werden wir auch tun!)
Nun werden schon vor der ersten Lesung unseres Gesetzentwurfs Sammelklagen angedroht, was immer man darunter verstehen mag. Via FAZ wird uns von den Leichtathleten Betty Heidler und Robert Harting mitgeteilt - ich zitiere -:
Die uneingeschränkte Besitzstrafbarkeit löse bei Athleten erhebliche Ängste aus, sich trotz Fehlens jeder Dopingabsicht strafbar zu machen … Zudem müsse die Doping-Absicht zur Voraussetzung einer strafgerichtlichen Verurteilung gemacht werden.
(Matthias Schmidt [Berlin] [SPD]: Ist sie doch!)
Frau Heidler sei Jurastudentin, ist in der FAZ zu lesen. Dann wird sie den Spruch kennen: Ein Blick ins Gesetz erleichtert die Rechtsfindung.
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
Wenn sie das tun würde, würde sie in §3 des Anti-Doping-Gesetzes auf eine klare Regelung stoßen: Die Besitzstrafbarkeit setzt voraus, dass der Erwerb oder Besitz des Dopingmittels zum „Zwecke des Dopings“ erfolgt.
(Beifall bei der SPD - Dagmar Freitag [SPD]: Lesen bildet!)
Es kommt also nicht nur auf die Verwirklichung des objektiven Tatbestandes an, sondern auch auf die des subjektiven Tatbestands. Folglich heißt es in der Begründung des Anti-Doping-Gesetzes:
Das Verbot erfasst nur die Fälle, in denen die Sportlerin oder der Sportler beabsichtigt, das Dopingmittel ohne medizinische Indikation bei sich anzuwenden oder anwenden zu lassen, um sich in einem Wettbewerb des organisierten Sports einen Vorteil zu verschaffen.
Also ist die Forderung, die die beiden Sportler via FAZ transportieren, bereits erfüllt. Ich muss schon sagen: Wenn man so massiv die Politik angreift, wie das die Athleten tun, muss man sich vorher, finde ich, ein bisschen kundig machen, was wirklich im Gesetz steht.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD - Dagmar Freitag [SPD]: Sehr richtig!)
Ich will nicht verschweigen, dass man an der Beteuerung der beiden Athleten zweifeln kann, man sei ja für einen entschiedenen Antidopingkampf, wenn man liest, wie sie Sportgerichtsbarkeit und Strafgerichte in ihrer Stellungnahme gegeneinander ausspielen. Da heißt es in der Stellungnahme: Wir verstehen nicht, weshalb die Politik der verbandsrechtlichen Sportgerichtsbarkeit hilft. - Ich sage: Wer die Integrität des sportlichen Wettbewerbs schützen will, der muss die Sportgerichtsbarkeit stärken.
(Dagmar Freitag [SPD]: Richtig!)
Ein des Dopings überführter Sportler muss sofort aus dem Wettbewerb genommen werden. Deshalb ist der Grundsatz des Strict Liability zwingend nötig. Wenn im Körper des Sportlers Dopingmittel gefunden werden, dann gilt das als Anscheinsbeweis mit der Folge des sofortigen Ausschlusses vom Wettbewerb. Da kann man doch nicht zwei oder drei Jahre auf ein Strafurteil warten und zusehen, wie einer mit unfairen Mitteln Titel um Titel erringt. Dieser Zusammenhang ist doch naheliegend.
(Beifall bei der SPD)
Wir schaffen deshalb für Schiedsvereinbarungen und Schiedsgerichte eine klare gesetzliche Grundlage und kommen damit Erwartungen der Gerichte im Fall Pechstein nach. Wir sollten die Hinweise von Experten ernst nehmen und im Ausschuss darüber reden, ob wir die Rechtsgrundlage möglicherweise nicht im Anti-Doping-Gesetz, sondern in der Zivilprozessordnung schaffen, weil es bei Streitigkeiten eben nicht nur um Doping, sondern auch um Ablösesummen von Sportlern oder den Streit um Nominierungen für sportliche Großveranstaltungen geht.
Ich will einmal auf eines hinweisen: Wir sind vor wenigen Wochen mit dem Sportausschuss beim CAS in Lausanne gewesen. Dort haben uns führende Repräsentanten - alle Fraktionen waren ja bei der Reise vertreten -versichert, dass es beim CAS zu entscheidenden Reformen kommen wird, die klarmachen, dass der CAS unabhängig und nicht verbändeabhängig ist. Damit wird auch Bedenken von deutschen Gerichten Rechnung getragen.
Zum Schluss will ich noch mal auf die Athletin Betty Heidler zurückkommen und ihr Plädoyer in der FAZ. Sie sagt dort - und meint das wohl offensichtlich ernst -, dass unser Anti-Doping-Gesetz sich negativ auf die jüngere Generation auswirken werde:
Kinder und Jugendliche werden sich eher für Hobbysport entscheiden als sich in den Testpool aufnehmen lassen.
Gemeint ist der Testpool, der die Voraussetzung dafür ist, dass man überhaupt Adressat dieses Anti-Doping-Gesetzes ist. Wir wollen ja nicht den Freizeitläufer beim Berlin-Marathon in den Blick nehmen, weil der nicht geeignet ist, die Integrität des Sports zu bedrohen,
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was?)
sondern eben den Spitzenathleten, dem gerade die jungen Menschen nacheifern.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das ist ja jetzt Unsinn, Herr Grindel! Alle laufen mit beim Marathon, und das stört die Integrität nicht?)
- Frau Künast, Sie zeigen in Ihrem Aufsatz in der FAZ, dass Sie wenig begriffen haben, worum es hier geht.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: In Ihren Augen hat eine Frau noch nie irgendwas begriffen, Herr Grindel!)
Es ist natürlich ein gravierender Unterschied, ob Sie jemanden haben, der als Spitzensportler durch Doping Wettbewerbe beeinflusst,
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
auf die Millionen von Menschen schauen, oder ob ein Hobbysportler Nahrungsergänzungsmittel nimmt mit Substanzen, die man nicht nehmen darf.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doping ist Doping!)
Das ist doch ein ganz zentraler Unterschied. Sie haben einfach - das müssen Sie einmal zugeben - den ganzen Ansatz unseres Anti-Doping-Gesetzes nicht verstanden.
(Renate Künast [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Doch! Leider!)
Das ist leider das Problem.
(Beifall bei der SPD - Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Was würden wir ohne Sie machen?)
- Mir zuhören, Herr Mutlu. Das wäre schon ein erster Schritt. Dann würde man auch ohne Schmerzmittel - um das zu sagen - jede Ihrer Reden gut überstehen können.
(Beifall bei der SPD - Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Gott sei Dank ist das nicht ansteckend!)
Ich will jetzt, Frau Präsidentin, mit vollem Ernst noch einen Schlussgedanken zu diesem Zitat von Frau Heidler formulieren.

Vizepräsidentin Claudia Roth:
Aber einen kurzen Gedanken.

Reinhard Grindel (CDU/CSU):
Ja. - Wir wollen, dass gerade in den Jugendstützpunkten - hier geht es um junge Menschen -, in denen sich entscheidet, ob aus jungen begabten Athleten Spitzensportler werden, gute Präventionsarbeit geleistet wird. Wir wollen, dass sich Jugendliche für den Spitzensport entscheiden, gerade weil sie wissen, dass es hier in Deutschland sauber und sportlich fair zugeht, dass am Ende der Beste gewinnt und nicht der mit den skrupellosesten Ärzten im Hintergrund.
Ein letzter Gedanke: Herr Harting lässt sich mit den folgenden Worten zitieren - das muss man sich wirklich auf der Zunge zergehen lassen -:
Die Welt ist genervt vom deutschen Anti-Doping-Kampf.
(Dagmar Freitag [SPD]: Unfassbar!)
Dazu kann ich nur sagen: Hoffentlich ist die Welt genervt;
(Beifall bei Abgeordneten der CDU/CSU und der SPD)
denn Weltmeister im Antidopingkampf zu sein, ist vielleicht noch ein bisschen wichtiger, als Weltmeister im Diskuswurf zu sein.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)

Permalink zum Video http://dbtg.tv/fvid/5119585