Bundestag / Reden
Rede
130. Sitzung vom 15.10.2015
Zweite und dritte Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption
Vizepräsidentin Edelgard Bulmahn:
Als nächster Redner hat Reinhard Grindel von der CDU/CSU das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Reinhard Grindel (CDU/CSU):
Frau Präsidentin! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Kernpunkt des Gesetzes zur Bekämpfung der Korruption sollte nach dem Regierungsentwurf die Einführung des Geschäftsherrenmodells sein. Dagegen haben sich im Schrifttum und auch in unserer öffentlichen Anhörung erhebliche Bedenken ergeben – mit beachtlichen Argumenten.
(Beifall des Abg. Volker Beck (Köln) [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN])
Rechtsgut des § 299 Strafgesetzbuch war bisher der Schutz des lauteren Wettbewerbs. Bestraft wird danach, wer sich einen Vorteil dafür verschafft, dass er einen anderen im Wettbewerb in unlauterer Weise bevorzugt, also klassischerweise, wie Kollege Wiese das angesprochen hat, bei Ausschreibungen.
Mit dem neuen § 299 Strafgesetzbuch sollte es nun um den Schutz der Vermögensinteressen des Unternehmens gehen. Es sollte auch ein Angestellter bestraft werden, wenn er beim Bezug von Waren und Dienstleistungen einen Vorteil dafür fordert, sich versprechen lässt oder annimmt, da er seine Pflicht gegenüber dem Unternehmen verletzt. Der reine Verstoß gegen Compliance-Vorschriften eines Unternehmens hätte also für den Angestellten strafrechtliche Konsequenzen haben können.
Dagegen ist zu Recht argumentiert worden, dass es nicht sein darf, dass ein Privater, also der Unternehmer, die Reichweite einer Strafvorschrift bestimmt. Der potenzielle Bestecher kann den Pflichtenkreis des Angestellten auch möglicherweise gar nicht hinreichend kennen. Unternehmen – auch das ist in der öffentlichen Anhörung angesprochen worden – könnten zudem veranlasst sein, ihre Compliance-Vorschriften erheblich zusammenzustreichen, um sich nicht quasi selbst solche Korruptionsfälle im Haus zu schaffen, die dann zu Problemen bei der Teilnahme an öffentlichen Ausschreibungen führen.
Die Koalitionsfraktionen haben im Hinblick auf die Anregungen in der öffentlichen Anhörung deshalb – das Kompliment für die gute Zusammenarbeit gebe ich gerne an Kollege Wiese zurück – zwei gravierende Veränderungen am Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgenommen. Nach dem jetzt neuen § 299 Strafgesetzbuch reicht die reine Pflichtverletzung für die Begründung der Strafbarkeit nicht mehr aus, sondern es muss eine Handlung oder Unterlassung hinzutreten, die über die reine Pflichtverletzung hinausgeht. Das bedeutet: Die bloße Annahme des Vorteils oder das reine Verschweigen einer Zuwendung gegenüber dem Geschäftsherrn reicht nicht aus, sondern es muss ein darüber hinausgehendes Verhalten des Vorteilsnehmers erfolgen.
Mit Blick auf eine Kritik der Kollegin Keul im Ausschuss will ich auch auf unsere Begründung des änderungsantrages hinweisen, in der es ausdrücklich heißt:
Ein Vorteil, dessen Annahme eine Pflichtverletzung begründet, ist nicht zugleich Gegenleistung für diese Pflichtverletzung.
Nochmals: Es muss vielmehr im Rahmen der Unrechtsvereinbarung zu einer im Interesse des Vorteilsgebers liegenden gesonderten Gegenleistung des Vorteilsnehmers kommen.
Wir brauchen also eine Unrechtsvereinbarung, und wir brauchen eine korrespondierende Handlung oder Unterlassung. Damit wird im Hinblick auf den alten § 299 Strafgesetzbuch, der ja tatbestandsmäßig erhalten bleibt, und im Hinblick auf die Untreue nach § 266 Strafgesetzbuch der Anwendungsbereich des Geschäftsherrenmodells erheblich eingeschränkt, und das ist auch gut so.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Nun wissen wir, dass solche änderungen des Strafrechts immer auch geeignet sind, für Unsicherheiten in der Rechtsanwendung zu sorgen. Deshalb haben wir aus Klarstellungsgründen eine weitere Ergänzung des Regierungsentwurfs vorgenommen: In Zukunft kann ein Angestellter den Tatbestand der Bestechlichkeit im geschäftlichen Verkehr nur verwirklichen, wenn er dies ohne Einwilligung des Unternehmens tut. Wir machen deutlich, dass bei einem transparenten und vom Unternehmen gebilligten Verhalten kein Risiko einer Strafbarkeit besteht. Das entspricht auch dem Verfahren in vielen, vor allem größeren Unternehmen, wo man der Compliance- oder Personalabteilung oder seinem Vorgesetzten eine Einladung oder ein Geschenk anzeigt und sich die
Annahme dann genehmigen lässt. Einer nachträglichen Genehmigung bedarf es übrigens nicht, weil es sich hier ohnehin um ein Antragsdelikt handelt.
Nun ist von der Opposition im Ausschuss und auch heute wieder hier im Plenum gefragt worden: Warum verzichtet ihr nicht ganz auf das Geschäftsherrenmodell? Wer meine Rede aus der ersten Lesung nachgelesen hat, der weiß, dass ich für diese Argumentation eine gewisse Offenheit zeige. Aber wir mussten bei den Ausschussberatungen zur Kenntnis nehmen, dass die Bundesregierung eindringlich darauf verwiesen hat, dass wir aus Anlass der Übernahme von EU-Richtlinien und Beschlüssen des Europarats um diesen gesetzgeberischen Schritt nicht herumkommen, wenn wir uns nicht einem Vertragsverletzungsverfahren aussetzen wollen. Auf die Richtigkeit dieser Aussage vertrauen wir, wenngleich auch dies in unserer Anhörung vereinzelt anders beurteilt worden ist.
Alles in allem – das will ich festhalten – haben wir den Tatbestand aber so klargestellt und auf den strafwürdigen Kern reduziert, dass er für die Praxis handhabbar ist und keine Verunsicherungen mit sich bringt.
Am Ende, liebe Kolleginnen und Kollegen, noch ein Gedanke: Antikorruptionsgesetze, Compliance-Kodex, Good-Governance-Vorschriften – alles gut und schön. Die Compliance-Regelungen von VW gelten bis heute unter Experten als absolut vorbildlich. Im Endeffekt kommt es deshalb nicht allein auf gute Vorschriften an, sondern auf gute Menschen, die sich im Wirtschaftsverkehr im Zweifel am Grundsatz ausrichten: Das tut man nicht. Und wo es zu wenige dieser guten Menschen gibt, können wir noch so viele gute Gesetze machen und werden Fehlverhalten trotzdem nicht verhindern.
Herzlichen Dank.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
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