Bundestag / Reden
Rede
137. Sitzung vom 13.11.2015
Bekämpfung von Doping im Sport
Vizepräsident Johannes Singhammer:
Jetzt hat zum Abschluss dieser Aussprache der Kollege Reinhard Grindel für die CDU/CSU-Fraktion das Wort.
(Beifall bei der CDU/CSU)
Reinhard Grindel (CDU/CSU):
Herr Präsident! Liebe Kolleginnen und Kollegen! Bei diesem Thema ist die entscheidende Frage: Reicht die sportrechtliche Sanktion aus, oder brauchen wir das Strafrecht?
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Wer redet denn jetzt: DFB oder MdB?)
In diesem Zusammenhang, Herr Kollege Mutlu, haben Sie die anonyme Untersuchung der Deutschen Sporthochschule angesprochen und darauf verwiesen, dass über 5 Prozent der Sportler angegeben haben, sie würden dopen. Sie haben nicht angesprochen, dass über 40 Prozent der Sportler diese Frage gar nicht beantwortet haben.
(Özcan Mutlu [BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN]: Das stimmt!)
Insofern kann man sagen: Egal ob das Dunkelfeld bei einer Größenordnung von über 5 oder annähernd sogar in Richtung 40 Prozent liegt, es ist jedenfalls deutlich höher als die 0,1 Prozent der positiven Dopingtests, die die NADA auch im letzten Jahr gefunden hat. Deswegen sage ich Ihnen: Ich halte es für einen klaren Widerspruch, dass man auf der einen Seite die Diagnose eines ernsthaften Problems im Sportsystem anspricht und auf der anderen Seite sagt: Dieses Sportsystem soll sich allein auf interne Maßnahmen beschränken.
Gerade diese Untersuchung, die zeigt, dass die NADA-Dopingtests bisher zu unzureichenden Ergebnissen geführt haben, macht deutich, wie richtig in der Tat unsere Überzeugung ist: Wenn man gegen Doping durchgreifende Maßnahmen ergreifen will, dann geht das nur über das Strafrecht. Diesen Schritt vollziehen wir heute, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Das hat die NADA auch bei der öffentlichen Anhörung bestätigt. Der Justiziar der NADA hat uns klipp und klar erklärt - ich zitiere -:
Wir haben in jedem Jahr mindestens 25 Anzeigen, die wir an die Staatsanwaltschaften richten. Wenn diese nicht gerade in Freiburg oder München
- wo es Doping-Schwerpunkt-Staatsanwaltschaften gibt -
ankommen, werden sie schneller eingestellt, als wir sie tippen können. Das liegt nicht daran, weil die Kolleginnen und Kollegen Staatsanwälte nicht handeln wollen, sondern sie schlichtweg nicht handeln können, weil sie kein strafbares Verhalten oder keinen Anfangsverdacht sehen ...
Wenn wir also gegen Doping durchgreifen wollen, dann brauchen wir Staatsanwaltschaften und Polizeibeamte, die auch durchgreifen können, dann brauchen wir Straftatbestände, die ihnen helfen, gegen die zu ermitteln, die Fairness im Sport mit Füßen treten, dann brauchen wir das Strafrecht im Kampf gegen Doping, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
Die Experten haben uns auch deutlich gemacht, dass es zum Beispiel ohne die Antidopinggesetze in Frankreich oder Italien nicht möglich gewesen wäre, zum Beispiel gegen Doping im Radsport wirklich durchzugreifen. Aufgrund dieses Zusammenhangs habe ich in der Tat gesagt, Frau Kollegin Künast, dass Sie mit Ihrer Bemerkung recht haben, dass die ganze Konstruktion nicht integer ist. Ich habe mich auf die Situation in Russland und die unzureichende Reaktion des Weltleichtathletikverbandes bezogen. Insofern verstehe ich Ihre Position nicht, dass Sie gleichzeitig gegen strafrechtliche Maßnahmen sind und sich nur für sportrechtliche, also nur für interne Sanktionen aussprechen. Wenn man sagt: „Die ganze Konstruktion ist nicht integer“, dann kann man doch nicht glauben, dass die sportrechtlichen Sanktionen plötzlich zu dieser Integrität führen. Wenn man bei einer Konstruktion, die nicht integer ist, durchgreifen will, dann muss man vielmehr von außen Maßnahmen ergreifen, dann müssen wir das Strafrecht im Kampf gegen Doping anwenden, liebe Freunde.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Volker Kauder [CDU/CSU]: Das sehen wir an der FIFA!)
Für strafrechtliche Maßnahmen ist es nötig, Rechtsgüter zu benennen, die wir schützen wollen. Wer dopt, der betrügt und der mindert im Spitzensport die Verdienstmöglichkeiten von anderen Sportlern, der beschädigt Vermögensinteressen von Vereinen und Sportveranstaltern. Insofern ist es konsequent - das darf nicht übersehen werden -, dass wir das Rechtsgut des Vermögens auch mit dem vorliegenden Anti-Doping-Gesetz schützen wollen.
Aber wir wollen in der Tat auch das Rechtsgut der Integrität des sportlichen Wettbewerbs schützen. Angesichts der großen gesellschaftlichen Integrationskraft des Sports, angesichts von 28 Millionen Mitgliedern des DOSB und vor dem Hintergrund der großen Aufmerksamkeit einer ganzen Nation bei sportlichen Großveranstaltungen, die ansonsten im digitalen Zeitalter in viele kleine Teilöffentlichkeiten zerfällt, kann man doch nicht bestreiten, dass dem Schutz der Integrität des sportlichen Wettbewerbs eine wachsende Bedeutung zukommt.
(Dagmar Freitag [SPD]: Richtig!)
Zu Recht investieren wir als der Bund dreistellige Millionenbeträge in den Spitzensport. Wir wissen, wie wichtig erfolgreiche Sportidole als Motivation für Kinder und Jugendliche sind, um selbst Sport zu treiben. Aber wenn sich ein Jugendlicher in Zukunft fragt: „Lohnt es sich, die Strapazen des Trainings auf mich zu nehmen?“, dann wollen wir ihm zumindest sagen können: Wenn du dich anstrengst und wenn du Talent hast, dann hast du im Sport alle Chancen, weil nur deine Leistung zählt und nicht die Leistung deiner behandelnden Ärzte oder die Skrupellosigkeit deiner Betreuer. - Für diejenigen, die daran glauben, dass es im Sport mit rechten Dingen zugeht, brauchen wir Rahmenbedingungen, die es ermöglichen, auch durchzugreifen. Deswegen schaffen wir jetzt eine entsprechende strafrechtliche Vorschrift, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
Adressaten dieses Gesetzes sind ausschließlich Spitzensportler, die dem Testpool der NADA angehören oder in erheblichem Umfang ihre Einnahmen aus dem sportlichen Wettbewerb beziehen. Dem wird nun entgegengehalten - auch das ist hier heute Morgen gesagt worden -, auch der Breitensportler dürfe sich doch wohl nicht dopen und müsse bestraft werden. Natürlich muss auch Max Mustermann, der beim Berlin-Marathon mit einem Dopingmittel erwischt wird, bestraft werden und aus dem Wettbewerb ausscheiden. Aber bei ihm reicht es aus - das ist wahr -, ihn nach Sportrecht zu sanktionieren. Weder läuft er beim Berlin-Marathon aus finanziellen Gründen mit und würde die Einkünfte seiner Konkurrenten durch Einnahmen, die er aufgrund von Doping erzielte, schmälern, noch verlieren junge Leute den Glauben an den sauberen Sport, wenn Max Mustermann gedopt ist.
Das kann aber eben bei Läufern aus dem Testpool der NADA schon völlig anders aussehen. Da gucken junge Läufer schon genau hin, wie sich ihre Vorbilder aus ihrem Verein oder dem DOSB-Team schlagen. Da geht es dann auch schon um Sieg- oder Platzprämien, um Sportfördermittel oder Unterstützung durch die Sporthilfe. Deshalb ist es doch völlig klar: Je mehr ein Sportler für die Integrationskraft und den Vorbildcharakter des Sports steht und damit auch Geld verdient, umso mehr muss ihn die volle Härte des Strafrechts treffen, wenn er dopt und damit die Ideale des Sports geradezu mit Füßen tritt, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD)
In der Tat: Wir haben neben der Ausweitung des Tatbestands Doping auch auf ausländische Trainingsaufenthalte und dem Verzicht auf eine Versuchsstrafbarkeit beim Besitz von Dopingmitteln wegen der starken Vorverlagerung der Strafbarkeit im Rahmen der Ausschussberatungen als Drittes auch die tätige Reue eingeführt. Zu Recht ist vom Minister erwähnt worden, dass im Strafrecht die tätige Reue nichts Neues ist. Sie wird insbesondere bei solchen Delikten vorgesehen, bei denen die Strafbarkeit bereits zu einem sehr frühen Zeitpunkt der Tathandlung gegeben ist. Eine solche tätige Reue muss natürlich freiwillig und nach außen hin deutlich sichtbar erfolgen.
(Dagmar Freitag [SPD]: Und rechtzeitig!)
Die tätige Reue ist notwendig wegen der besonderen Konstruktion unseres Gesetzes. Wenn ein Sportler, bevor er das Dopingmittel zum ersten Mal einnimmt, sich dann doch entschließt, den fairen Weg des Sports nicht zu verlassen und auf rechtmäßige Weise um Siege und Titel zu kämpfen, dann steht er nämlich vor einem Dilemma: Auch wenn er das Dopingmittel zum Beispiel gegen Quittung bei einer Apotheke abgibt und damit das Rechtsgut der Integrität des sportlichen Wettbewerbs nicht tangiert hat, würde er ohne die tätige Reue trotzdem wegen Besitzes eines Dopingmittels bestraft werden, weil er diese Deliktsform bereits vollendet hat, indem er das Mittel zum Beispiel eine Zeit lang bei sich zu Hause aufbewahrt hat.
Mit der tätigen Reue wollen wir dem sozusagen wankenden Sportler eine Brücke zurück ins gesetzmäßige Verhalten bauen. Ohne diese neue Vorschrift gäbe es ja gar keinen Anreiz für einen Sportler, über den Weg zurück zu Fairness und Integrität nachzudenken, weil er ja wüsste: Wegen Besitzes bist du sowieso dran. - Nein, wir wollen den Sportlern und Athleten in Deutschland sagen: Wer sauber bleiben will, dem bieten wir eine Möglichkeit, zu Fairness und Integrität zurückzukehren. Deswegen ist diese Ergänzung des Gesetzes von großer Bedeutung, liebe Kolleginnen und Kollegen.
(Beifall bei der CDU/CSU sowie bei Abgeordneten der SPD - Dagmar Freitag [SPD]: Aber ein Freibrief ist es nicht!)
Die Integrität des sportlichen Wettbewerbs - Staatssekretär Krings hat darauf hingewiesen - wird nicht nur durch Doping, sondern auch durch Spielmanipulation gefährdet. Deshalb begrüße ich es ausdrücklich, dass das Bundesjustizministerium jetzt die Abstimmung mit den Ländern und Verbänden eingeleitet hat und wir unverzüglich zu einem Kabinettsbeschluss und hier im Bundestag zu einer Beratung des Gesetzes gegen Spielmanipulation kommen werden. Wir brauchen den umfassenden Schutz der Integrität des sportlichen Wettbewerbs, und darauf haben wir uns auch im Koalitionsvertrag verständigt.
Eine Anmerkung zum Schluss. Wir, zumindest die Abgeordneten der Koalition, sind davon überzeugt, dass dieses Gesetz gut ist für den deutschen Sport. Und doch wissen wir, dass der Deutsche Olympische Sportbund dieses Gesetz bis heute ablehnt.
(Dr. André Hahn [DIE LINKE]: Es hört sich da ein bisschen anders an!)
Ich bedauere das. Deshalb sage ich: Ich bin zutiefst davon überzeugt, dass es für die Integrität des Sports, seine Integrations- und Strahlkraft nicht in erster Linie darauf ankommt, unbedingt immer Gold zu gewinnen.
(Katrin Kunert [DIE LINKE]: Was sagt denn der DFB dazu?)
Vielmehr kommt es darauf an, immer Fairness und Anstand im Sport zu verwirklichen und auf keinen Fall zu verlieren. Das ist die Botschaft dieses Gesetzes.
Herzlichen Dank fürs Zuhören.
(Beifall bei der CDU/CSU und der SPD)
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