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Bundestag / Reden

Rede

167. Sitzung vom 28.04.2016

Zu Protokoll gegebene Reden zur Beratung des von der Bundesregierung eingebrachten Entwurfs eines Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus gemäß § 63 des Strafgesetzbuches und zur Änderung anderer Vorschriften (Tagesordnungspunkt 20)

Reinhard Grindel (CDU/CSU): Mit der Verabschiedung des Gesetzes zur Novellierung des Rechts der Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus verstoßen wir gegen das "Struck'sche Gesetz"; denn das Gesetz wird den Bundestag nach der zweiten und dritten Lesung so verlassen, wie es von der Bundesregierung in das Parlament eingebracht worden ist. Das hat nichts damit zu tun, dass die Koalitionsfraktionen - wie es ein Oppositionsvertreter im Rechtsausschuss gesagt hat - keine Lust mehr zur Gesetzgebungsarbeit gehabt hätten, sondern damit, dass diesem Gesetzgebungsentwurf eine sehr intensive und umfassende Vorarbeit zugrunde liegt. Schließlich bauen wir mit dem Gesetzentwurf auf die sehr konstruktiven Vorschläge der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zum Recht der Unterbringung auf, die im März 2014 gebildet wurde.
Dieser Gesetzentwurf setzt die normativen Rahmenbedingungen für einen schwierigen Abwägungsprozess zwischen den Schutzinteressen von potenziellen Opfern und den Freiheitsinteressen von gefährlichen Straftätern. Es kann nicht per se das Ziel des Gesetzes sein, die Zahl der in psychiatrischen Krankenhäusern Untergebrachten zu reduzieren. Es muss darum gehen, die Prognose zur Gefährlichkeit psychisch kranker Rechtsbrecher zu präzisieren.
Ich habe bereits aus Anlass der Debatte zur ersten Lesung dieses Gesetzes die höheren Anforderungen an eine stationäre Unterbringung eines als gefährlich eingestuften Rechtsbrechers ausführlich dargelegt. Dies gilt insbesondere für die Schwelle der Erheblichkeit und die Darlegungspflicht, wenn aus nicht erheblichen Anlasstaten trotzdem auf eine positive Gefährlichkeitsprognose des Täters geschlossen wird.
Ich will mich im Rahmen meiner Rede deshalb mit den Vorschlägen und Kritikpunkten zum Gesetzentwurf der Bundesregierung befassen. Zunächst einmal gilt festzuhalten, dass die Zustimmung zum Gesetzentwurf in der öffentlichen Anhörung sehr groß war. Ein Sachverständiger hat mit Blick auf die Praxis gefordert, dass die Gerichte sozusagen eine Öffnungsklausel erhalten, die dafür sorgt, die Anforderungen an die Anlasstaten nicht abschließend zu regeln. Er hat das Beispiel eines Straftäters erwähnt, der wegen einer schizophrenen Psychose mehrfach die kunsthistorisch wertvollen Fenster eines Domes zerstört hat. Obwohl die entsprechende Kammer die Anlassdelikte nur als gemeinschädliche Sachbeschädigung subsumiert hat, ordnete sie die stationäre Unterbringung des Beschuldigten an, weil auch ideelle Schäden zu einer schweren Störung des Rechtsfriedens führen könnten.
Die Koalitionsfraktionen vermögen sich dieser Argumentation nicht anzuschließen. Erstens dürfte in diesem Fall der wirtschaftliche Schaden schon über 5 000 Euro gelegen haben und damit ohnehin eine Unterbringung auch nach zukünftiger Rechtslage nicht ausgeschlossen sein. Wäre es aber anders, dann ist andererseits eine Unterbringung auch nicht mehr verhältnismäßig. Es würde das zentrale Ziel des neuen Gesetzes geradezu unterlaufen, wenn man durch eine Öffnungsklausel die strikten Anforderungen an den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz wieder aufweichen würde.
Gleichzeitig ist jedoch auch völlig überzogen, wenn die Oppositionsparteien einen Vorrang für eine ambulante Therapie fordern und dabei ausdrücklich auch bereit sind, Gefährdungen für potenzielle Opfer hinzunehmen. Für die CDU/CSU hat der Opferschutz keine nachrangige Bedeutung hinter den Freiheitsinteressen des psychisch kranken Rechtsbrechers. Vielmehr ist der Schutzgedanke gerade der Sinn und Zweck des § 63 StGB.
Dementsprechend muss sich die Dauer der Unterbringung auch nicht am Unwert der Anlasstat orientieren, sondern an der Prognose der Gefährlichkeit des Täters für die Gesellschaft. Hierbei kommen dann die vielfältigen Maßnahmen zum Tragen, die bei der Entscheidung über die Unterbringung für die Einhaltung des Verhältnismäßigkeitsgrundsatzes sorgen sollen. Dabei soll nochmals hervorgehoben werden, dass die Anforderungen an die Gutachter und die Gutachtenpraxis deutlich optimiert worden sind. Die Prüfungsintensität wird verstärkt, und es werden häufiger externe Gutachter einbezogen. Da es der Praxis in den Ländern entspricht, Pflichtverteidiger hinzuzuziehen, war eine besondere Regelung dafür nicht notwendig.
Erstaunlich ist es, dass ausgerechnet die Grünen die Qualität der Unterbringung kritisiert haben. Das ist Sache der Länder, und in vielen Ländern regieren die Grünen mittlerweile mit, es gibt grüne Justizminister und -senatoren, und insoweit würde ich den Kollegen der Grünen raten, ihre Verbesserungsvorschläge an die grünen Kollegen in den Ländern weiterzugeben.
Intensiv haben wir uns auch mit der Frage auseinandergesetzt, ob die Prüfung der Notwendigkeit der Unterbringung unter Einbeziehung der Öffentlichkeit erfolgen sollte. Hier sind wir zu der Überzeugung gekommen, dass dem Gesichtspunkte des Persönlichkeitsrechts und des Datenschutzes entgegenstehen. Insgesamt ist festzuhalten, dass wir mit diesem Gesetz auch die notwendigen Konsequenzen aus der öffentlichen Debatte über Fälle ziehen, in denen wohl in der Tat eine Unterbringung in einem psychiatrischen Krankenhaus zu lange gedauert hat und die Tätigkeit der Gutachter berechtigterweise zu kritisieren ist. Mit dem Gesetz wird aber weiterhin auch für einen umfassenden Schutz der Gesellschaft vor psychisch kranken Rechtsbrechern gesorgt. Das sind wir potenziellen Opfern schuldig; denn auch sie haben das Recht, frei und ohne Angst zu leben.