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Auszug aus dem Plenarprotokoll des Deutschen Bundestags vom 07.07.2011
Plenarprotokoll 17/120
Rede in der 120. Sitzung des Deutschen Bundestages:
Beratung der Entwürfe eines Gesetzes zur Umsetzung aufenthaltsrechtlicher Richtlinien der EU und zur Anpassung nationaler Rechtsvorschriften an den EU-Visakodex
Reinhard Grindel (CDU/CSU): Ich will mich in der
zweiten und dritten Lesung des Richtlinienumsetzungsgesetzes
auf die Ergänzungen, die von der Koalition in
den Ausschussberatungen eingebracht worden sind, und
auf die Änderungsvorschläge der Opposition konzentrieren.
Wir nehmen das Gesetzeswerk zum Anlass, ein weiteres
Ziel unseres Koalitionsvertrages zu verwirklichen.
Wir stellen Schulen und Kindergärten von den Übermittlungspflichten
bei illegalen Kindern frei. Zu deutsch:
Kinder, deren Eltern sich illegal in Deutschland aufhalten,
können in Zukunft in die Schule oder den Kindergarten
gehen, ohne Angst haben zu müssen, dass Schulleiter
oder Kindergärtner es den Ausländerbehörden
melden, dass sie jemanden in ihrer Einrichtung haben,
der sich illegal in Deutschland aufhält. Damit kommen
wir gerade auch einer langjährigen Forderung der Kirchen
und vieler humanitärer Einrichtungen nach.
Wir wissen, dass wir uns mit dieser Gesetzesänderung
auf einem schmalen politischen Grad bewegen; denn
selbstverständlich gilt gerade für uns Innenpolitiker, dass
wir den Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung achten.
Allerdings ist sicher auch bedenkenswert, dass die
Kinder von Illegalen das Schicksal ihrer Eltern teilen
und in nahezu allen Fällen keine eigene Schuld daran
tragen, dass sie sich rechtswidrig in Deutschland aufhalten.
Im Übrigen stellen wir jetzt den rechtlichen Rahmen
für einen Tatbestand her, der in vielen Bundesländern
bereits gängige Praxis ist und zum Teil auf der Grundlage
von Richtlinien der jeweiligen Kultusministerien
praktiziert wird.
Wir haben uns vor allem aus zwei Gründen dazu
durchgerungen, illegalen Kindern den Schulbesuch zu
ermöglichen: In den allermeisten Fällen werden die Kinder
wieder in ihre Herkunftsländer zurückkehren. Wir
wollen dazu beitragen, dass sie die Zeit, in der sie in
Deutschland sind, nutzen, um Fertigkeiten und Fähigkeiten
zu erwerben, die ihnen ein Leben in der alten Heimat
erleichtern. Sie sollen mit dem hier in Deutschland erworbenen
Wissen bessere Bildungs- und Berufsperspektiven
in ihren Herkunftsländern haben. Dieses kann auch
dazu beitragen, dass ihren Eltern die Rückkehr in die
Heimat leichter fällt, weil sich die Perspektive der Kinder
verbessert hat.
Zweitens ist zu fragen, was die Kinder wohl mit ihrer
Zeit anfangen werden, wenn sie nicht zur Schule gehen.
Es ist zumindest zu befürchten, dass sie irgendwann eine
Gefahr für die öffentliche Sicherheit und Ordnung werden
könnten. Man kann es auch einfacher sagen: Wer in
der Schule ist, kann in der Zeit kein dummes Zeug anstellen.
Insofern sprechen im weitesten Sinne auch kriminalpräventive
Gründe für eine Öffnung der Schulen
für den Besuch von Kindern Illegaler.
Der Besuch einer Schule und wahrscheinlich auch eines
Kindergartens dürfte angesichts der demografischen
Entwicklung in unserem Land auch nicht mit zu hohen
Kosten insbesondere für die Kommunen verbunden sein.
Ganz anders sieht die Lage allerdings aus, wenn man
den deutlich weiter gehenden Vorschlägen der Opposition
folgen würde, die illegalen Ausländern jedwede
Krankenhausbesuche und Arbeitsgerichtsprozesse ermöglichen
wollen. Dagegen spricht, dass in diesem Fall
die Illegalen selbst und nicht nur ihre Kinder Begünstigte
einer Regelung wären, die nun wirklich gegen den
Grundsatz der Einheit der Rechtsordnung verstoßen
würde.
Nehmen wir nur den Gerichtsprozess im Falle eines
Lohnstreits bei illegaler Beschäftigung. Es kann doch
nicht sein, dass ein illegal Aufhältiger seinen Arbeitslohn
aus illegaler Beschäftigung vor Gericht eintreibt,
sich dann erneut illegaler Arbeit zuwendet und die Ausländerbehörde
von alledem nichts erfährt.
Was den Besuch eines Krankenhauses angeht, haben
wir schon nach geltender Rechtslage die Situation, dass
die Übermittlungspflicht durch den sogenannten verlängerten
Geheimnisschutz beschränkt ist. Daten dürfen nur
weitergegeben werden, wenn die öffentliche Gesundheit
gefährdet ist oder es um Drogenkonsum geht. Durch die
Verwaltungsvorschrift zum Aufenthaltsgesetz ist klargestellt,
dass sich dieser Geheimnisschutz auch auf das Abrechnungspersonal
im Krankenhaus erstreckt. Damit ist
völlig klar, dass alle illegalen Ausländer angstfrei eine
medizinische Notfallversorgung erhalten können, neben
dem engmaschigen Netz an altruistischen medizinischen
Angeboten, das es heute ohnehin gibt. Dementsprechend
ist seit Jahren auch kein Fall bekannt, wo ein Illegaler in
irgendeiner Weise an Leib oder Leben gefährdet wäre.
Insoweit sind die Anträge der Opposition entweder in
der Sache falsch oder überflüssig.
Die Koalition verbessert die Rechtsstellung der Opfer
von Menschenhandel und illegaler Beschäftigung, indem
wir die Bedenk- und Stabilisierungsfrist im Vorfeld
von Gerichtsverfahren auf drei Monate verlängern. Es
muss allerdings dabei bleiben, dass Staatsanwaltschaften
und Gerichte über die Notwendigkeit eines Aufenthalts
während des Strafverfahrens entscheiden und es nicht
etwa jeder Rechtsanwalt in der Hand hat, durch die
bloße Behauptung, jemand könne im Rahmen eines
Strafverfahrens etwas beitragen, den Aufenthalt künstlich
verlängern können. Damit wäre Missbrauch Tür und
Tor geöffnet. Das wollen wir nicht.
Wir eröffnen Hilfsorganisationen die Möglichkeit,
Menschen, die sich in Abschiebehaft befinden, dort zu
besuchen. Allerdings setzt das natürlich den Wunsch des
Gefangenen voraus. Es macht einen schon etwas fassungslos,
wenn einzelne Organisationen von uns einen
Freibrief zur Zwangsbeglückung verlangen und generell
ein solches Besuchsrecht auch gegen den Wunsch des
Gefangenen wollen. Hier wird deutlich, dass es diesen
Organisationen nicht um die humanitäre Situation der
Betroffenen geht, sondern darum, aus rein ideologischen
Gründen Abschiebeverfahren zu verzögern. Auch da
macht die Koalition selbstverständlich nicht mit.
Völlig gegen die Grundsätze unserer Rechtsordnung
steht ebenso die Forderung der Opposition, nichtstaatliche
Träger verpflichtend in die Abschiebung von Ausländern
auf Flughäfen einzubinden. Der Staat muss seine
Überwachungssysteme im Rahmen der Abschiebung
selbst organisieren. Nur so kann er für eine effektive Arbeit
sorgen. Ich sehe das Wirken der sogenannten Abschiebebeobachter
ohnehin sehr kritisch, weil durch ihre
Einwirkung immer wieder Abschiebungen scheitern,
wie zum Beispiel jüngst auf dem Düsseldorfer Flughafen.
Dort hatten in mehreren Fällen die Aktivitäten der
Abschiebebeobachter am Ende nur die Konsequenz,
dass die betroffene Kommune höhere Rückkehrprämien
für Rückkehrverpflichtete zahlen musste, die zuvor auf
dem Flughafen schlicht simuliert hatten, was durch die
Einwirkung der Abschiebebeobachter aber zum Abbruch
der Aktion durch die Bundespolizei geführt hat. Wir erwarten
als CDU/CSU-Fraktion, dass die Bundespolizei
bei der Durchsetzung von Recht und Gesetz mitwirkt
und nicht die langjährige Arbeit von Ausländerbehörden
zunichte macht. Wie man überhaupt an dieser Stelle sagen
muss, dass die Art und Weise, wie in der öffentlichen
Debatte und auch bei den konkreten Maßnahmen
im Rahmen der Abschiebung mit Mitarbeitern der Ausländerbehörden
umgegangen wird, zum Teil wirklich
menschenverachtend ist. Man fragt sich manchmal: Wer
beobachtet eigentlich das, was die NGOs und insbesondere
Abschiebebeobachter tun?
Mit unserem Gesetzeswerk lösen wir auch das Versprechen
ein, Kindern mit Bleiberecht den Zugang zum
BAföG zu eröffnen. Das war bei den letzten Debatten
über das Aufenthaltsrecht in Zweifel gezogen worden. In
Wahrheit hatte damals die Opposition versucht, das Gesetz
im Bundesrat zustimmungspflichtig zu machen,
weil die BAföG-Regelung dies ausgelöst hätte. Diese
Trickserei haben wir durchschaut und machen die Gesetzesergänzung
zum BAföG jetzt an dieser Stelle, weil das
Richtlinienumsetzungsgesetz ohnehin den Bundesrat
passieren muss.
Wir setzen mit diesem Gesetzeswerk die betroffenen
Richtlinien buchstabengetreu um. Wir nutzen die Verabschiedung
des Gesetzes zur weiteren Beschlussfassung
über wichtige humanitäre und integrationspolitische Initiativen.
Ich bitte deshalb um Zustimmung zu unserem
Gesetzentwurf in der Ausschussfassung.
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